Wenn Babys mitrauchen - Risiken durch Nikotintransfer über Kleidung hin

„Thirdhand smoke“ bezeichnet den Teil des Zigarettenrauchs, der weder vom Raucher selbst, noch von Passivrauchern eingeatmet wird, sondern sich an Oberflächen, Polstern, Teppichen, Vorhängen oder in der Kleidung ablagert. Dort konzentrieren sich die Schadstoffe aus den Zigaretten weit höher als in der verrauchten Luft und können dann, z. B. bei Kontakt mit der Haut, wieder freigesetzt werden. Tatsächlich werden nur ca. 30% des Rauches inhaliert.

Die restlichen 70% verteilen sich in der Umgebung und bilden das Reservoir für den „Rauch aus dritter Hand“. Vor diesem Hintergrund haben sich Wissenschaftler des Instituts für Hygiene und Biotechnologie (IHB) an den Hohenstein Instituten mit der Frage beschäftigt, ob und in welchem Ausmaß durch „Thirdhand smoke“ in Kleidungsstücken haftende Schadstoffe die Gesundheit von Säuglingen beeinträchtigen können.

Anders als beim Passivrauchen, bei dem die Risiken durch Inhalation des Nervengiftes Nikotin in die Lunge bekannt sind, geht es beim „Thirdhand smoke“ zunächst darum, ob über den Übertragungsweg der Haut weitere Gesundheitsrisiken bestehen. Daher wollte man an den Hohenstein Instituten genauer untersuchen: Was geschieht eigentlich, wenn Eltern draußen auf dem Balkon rauchen und nach der Zigarettenpause den Nachwuchs wieder in den Armen wiegen? Zur Klärung dieser Fragestellung verwendeten die Forscher am IHB ein eigens entwickeltes Zellkultur-Modell einer Babyhaut– ein 3D-Hautmodell, das in seiner Zellzusammensetzung, Aufbau und Beschaffenheit der Haut von Babys und Kleinkindern gleicht. Zur Simulation der Raucheinwirkung durch dritte Hand wurde ein TShirt gezielt mit dem Zigaretteninhaltsstoff Nikotin versetzt, analog zu einer Raucherpause auf dem Balkon.

Um den Schadstoff später auch quantitativ nachweisen zu können, wurde radioaktiv markiertes Nikotin verwendet. Die verrauchten Stoffstücke wurden anschließend auf die Babyhaut gelegt und das Eindringen des Nikotins in die Haut mit Hilfe sogenannter Tracer-Studien verfolgt. Die Ergebnisse der Hohenstein Wissenschaftler zeigen erstmals, dass das Nervengift Nikotin vom Hautschweiß nicht nur aus der Kleidung herausgelöst wurde und in allen Hautschichten der Babyhaut nachweisbar war, sondern durch die Haut hindurch in tiefere Körperschichten transportiert wurde. Zum Vergleich wiederholten die Wissenschaftler die Experimente mit Spenderhaut von Erwachsenen und kamen auch hier zum gleichen Ergebnis.

Doch haben das eingedrungene Nikotin und andere Schadstoffe des Rauchs überhaupt nachweisbare schädliche Auswirkungen auf den Körper, lange nachdem die letzte Zigarette erloschen ist? Für diese Frage setzten die Forscher am IHB erneut Textilien einer definierten Menge Zigarettenrauch aus. Anschließend wurde untersucht, ob Schadstoffe durch den Hautschweiß aus dem Textil herausgelöst werden können und wie Zellkulturen von Haut- und Nervenzellen auf die Rauch-/Schweißlösung reagieren. Auch bezüglich dieser Frage waren die Ergebnisse eindeutig: Im Laborexperiment schädigten die im Schweiß gelösten Schadstoffe aus dem Zigarettenrauch die Hautzellen massiv; sie veränderten z. B. ihre Form und starben bei hoher Konzentration sogar ab. Ebenso zeigten Nervenzellen, die insbesondere in der frühen Entwicklungsphase des Menschen aktiv sind, deutliche Veränderungen und waren nicht mehr in der Lage, sich untereinander richtig zu vernetzen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichen die Hohenstein Wissenschaftler nun in einem Fachjournal.

„Eltern sollten sich bewusst sein“, erklärt Prof. Dr. Dirk Höfer, Direktor des Instituts für Hygiene und Biotechnologie an den Hohenstein Instituten, „dass ihre eigene Kleidung als Überträger der Schadstoffe aus dem Zigarettenrauch dienen kann.“ Die Hohenstein Wissenschaftler arbeiten derzeit intensiv an einer Lösung für dieses Problem. Dazu Prof. Höfer: „Wir forschen derzeit an Textilbeschichtungen, welche die Schadstoffe des Zigarettenrauchs neutralisieren können und dem ‚Thirdhand smoke’ so seinen Schrecken nehmen. Es ist aber noch weitere Forschungsarbeit notwendig.“ In Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern aus der Industrie lässt sich dieses Ziel möglicherweise aber schon in naher Zukunft verwirklichen. Speziell für die Weiterentwicklung hautnaher babyfreundlicher Bekleidung steht mit dem von den Hohenstein Wissenschaftlern eingesetzten „Babyhautmodell“ dafür nun auch ein vielseitiges Mess-System zur Verfügung.

Kontaktadresse für nähere Informationen: Dr. Timo Hammer, Institut für Hygiene und Biotechnologie an den Hohenstein Instituten, E-Mail: t.hammer [at] hohenstein.de.

Quelle: gesundheitswirtschaft.info,
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